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Experimental Film & Video Festival Zürich

Experimental Film and Video Festival Zürich
 

Fuses & Beyond

Mo 27.05. 20:15h Cinema Z3

095. Fuses

Carolee Schneeman, USA 1964-67, 16mm, 29:51 min

«I really wanted to see what «the fuck» is and locate that in terms of a lived sense of equity.», sagt Carolee Schneemann über ihren Antrieb für den Film Fuses. Inspirationsquelle war Stan Brakhages Window Water Baby Moving (1959), in dem er und seine Frau Sally die Geburt ihres ersten Kindes dokumentierten. Dieser Film entstand kollaborativ, trotzdem war es letztlich die Kamera in der Hand des Mannes, die das Kind gebar - der männliche Blick der späten 1950er/60er, als nur Männer kreative Autorität zugesprochen erhielten, Frauen höchstens Musen oder Partnerinnen sein konnten.

Mit Fuses füllte Carolee Schneemann die repräsentative Leerstelle weiblichen Begehrens mit selbstbestimmter und ausgelassener weiblicher Lust. Die Darstellung von Sex in Fuses war 1965 ohnegleichen. Für viele Zuschauerinnen bedeutete es ein Wendepunkt in der Beziehung zum eigenen Körper, genauer zur Vulva, die hier endlich im Breitbildformat zu Ehren kam. Andere lehnten den Film als exhibitionistischen Narzissmus rundweg ab. Während männliche Körperkunst als selbstreflexive, kritische Auseinandersetzung mit Narzissmus gelobt wurde, waren Frauen, zumal schöne Frauen, die ihren Körper ins Zentrum ihrer Kunst stellten, sofort in Gefahr, als narzisstisch und völlig untheoretisch abgetan zu werden.

Fuses entstand aus der gelebten Intimität zwischen Jim Tenney und Carolee Schneemann, die über dreizehn Jahre ein schwelgerisches Liebesleben führten. Tenney partizipierte gleichberechtigt im Film. Fuses erforscht die ganze Spannweite sexueller Erfahrung von Feingefühl bis Wildheit. «Touch tenderly, fuck fiercely.» ist auch eine mögliche Antwort auf den grundlegenden Widerspruch des Penis als eine Quelle von Lust und Gewalt. In Fuses ist der Penis freundlich und recht glücklich und kommt neben Christbaumkugeln zu liegen. Fuses ist also auch zum Schmunzeln, zum Beispiel auch über weitere charmante Assoziationsketten wie Busch-Busch-Pussy-Pussy. Und das sind auch in Zukunft zentrale Themen in Schneemanns Schaffen. Ihre Repräsentation einer unabhängigen, selbstbestimmten, genüsslichen und frauenzentrierten Erotik wurde übrigens vom Kunstmarkt ignoriert. Zwar bezog die dominante Kultur daraus enormen Mut und Vitalität. Sie nährte sich gierig von Schneemanns Material, war aber nicht bereit, ihr etwas zurückzugeben. Sie schien kleinlich zu sagen: «If you’ve got all that, go feed yourself!» Auch diese Beobachtung der Künstlerin ist an Aktualität und feministischer Brisanz nicht zu überbieten.


096. Viet-Flakes

Carolee Schneeman, USA 1965, 16mm, 07:00 min

Viet Flakes ist eine der stärksten Anklagen, die je gegen den Vietnamkrieg geführt wurde. (Robert Enright) Und das im Jahr 1965, in einer Zeit bevor der Krieg in Südostasien in der allgemeinen Wahrnehmung als «Vietnamkrieg» angekommen war. Es war ein Film aus Notwendigkeit. Fünf Jahre lang sammelte Schneemann Bilder der Greuel des Krieges. Mit einer Super8-Kamera «reist» sie durch diese Bilder und erzeugt eine erstaunliche dramatische Intensität, die noch verstärkt wird durch die Sound Collage von James Tenney aus vietnamesischen religiösen Gesängen und Liedern, Klängen von Bach und Sechziger-Popsongs. Viet Flakes ist ein hochaktuelle Dekonstruktion der News-Logik der Medien, besonders der Kriegsberichterstattung, ein Gegengewicht zur fehlenden Verantwortlichkeit von Mainstream-Medien. Er schafft ein Gespür für die unsagbare Tragik eines Krieges.


097. Plumb Line

Carolee Schneeman, USA 1968-72, 8mm, 14:58 min

«Unsere Vermögen zu trauern, scheint mir völlig unangemessen» sagte Schneemann in einem Interview. «Unangemessen weil unsere Trauerrituale den Körper nicht einbeziehen. Wir müssten gehalten, umarmt, berührt werden. Es müsste eine körperliche Entsprechung geben zu den mächtigen Gefühlen des Verlusts. Uns fehlen physische Formen zu trauern - Trost, den wir geben oder empfangen könnten. Alles passiert nur in unseren Augen, die geradeaus starren, in stiller Trauer.» Plumb Line fasst die Auflösung einer Beziehung für die Augen und die Ohren oder über die Augen und die Ohren. Plumb Line ist wunderschön, legt alles offen, geht auf in Feuer.


098. Infinity Kisses – The Movie

Carolee Schneemann, USA 2008, 35mm, 09:00 min

Während acht Jahren nahm Schneemann die selbstbestimmten Morgenküsse ihrer Katze Cluny auf 35mm auf. Erotik wird zu einer Form des Austauschs, die überhaupt nicht an bestimmte Organe oder Personen geknüpft ist – Erotik als Teil der Lebendigkeit. Dass dieser Film wie schon Fuses obszön genannt wurde, verblüffte Schneemann und machte sie wütend. Die abweisenden Reaktionen scheinen das Symptom einer generellen erotischen Verrenkung zu sein, die Zärtlichkeit, Sensibilität, Unterwerfung, Feuchtigkeit und Durchlässigkeit tabuisiert und feminisiert. Die magic cat hat dieses Problem nicht. Sie ist Mittlerin sinnlicher Kommunikation.


Literatur:
Carolee Schneemann, Imaging Her Erotics. Essays, Interviews, Projects, Cambridge 2003.
Caroline Koebel, Imaging Her Erotics, THE BROOKLYN RAIL. Critical Perspectives on Arts, Politics, and Culture, 07/2002.
Andrea Saemann/Katrin Grögel, Performance Saga. Interview 04. Carolee Schneemann, Zürich 2008. www.performancesaga.ch


         
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