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105. Le Fond de l'air est rouge

Als der Film 1977 in die Kinos kam, stand die Berliner Mauer noch, waren weder die Sowjetunion noch Jugoslawien von der Landkarte verschwunden und Ost- und Westblock klar definiert. Die 68er-Generation hatte die Nachwehen ihres Engagements hinter sich, und nach dem Ende der Baader-Meinhof-Bewegung breitete sich eine Katerstimmung aus, die vor allem auch von Ratlosigkeit gekennzeichnet war. In dieser Situation wollte Le Fond de l'air est rouge Bilanz ziehen, eine Bestandesaufnahme leisten dessen, was von den Idealen der sechziger Jahre übriggeblieben war, welche Ziele erreicht worden waren. Die im Film berücksichtigten Ereignisse und Ausschnitte sind als Beispiele zu verstehen, an denen strukturelle Probleme der Politik nachgezeichnet werden können. «Die Art der Information ist Teil der Information und bereichert sie», schreibt Chris Marker im Begleittext des Films und definiert damit gleichzeitig sein Geschichtsverständnis. Die kontrapunktische Montage Text (gesprochen von Marker und einstigen Protagonist_innen der Bewegung wie Simone Signoret, Yves Montand, Jorge Semprun und François Maspéro), Ton und Bildern der Befreiungsbewegungen der Sechziger und dem Vietnamkrieg, den Ereignissen des Mai `68, dem Prager Frühling, der Guerilla in Lateinamerika bis zur Machtübernahme der Militärjunta in Chile und den Demonstrationen zum 1. Mai in Frankreich hat selbst schon Kommentarfunktion. Die Quintessenz lautet: Die «historische Wahrheit» ist fragwürdig, Geschichtsschreibung vergänglich, unser Erinnerungsvermögen relativ und unzuverlässig. Wahrhaftig ist nur der Blickwinkel des Augenblicks, der als solcher ausgewiesen wird. (Ursula Langmann)

Avec le soutien du Service de Coopération et d'Action culturelle de l'Ambassade de France en Suisse.